Mathilde half bereits um 1895 mit 16 1/2 Jahren im Geschäft der Eltern. [1a] Bis zu welchem Abschluss sie die Gummersbacher Schule besuchte, ist nicht mehr bekannt. Vermutlich arbeitete sie im elterlichen bzw. später brüderlichen Geschäft bis nach dem I. Weltkrieg.
In den 1920er Jahren war sie vermutlich nicht mehr in der Buchhandlung tätig, sondern betrieb bereits vor 1926 ein Wäschegeschäft mit ihrer Verwandten Grete Kalbacher von Türkenburg geb. Sondermann. [2-2-2] So wird Mathilde Krüger auch noch im Jahr 1926 im Adressbuch von Gummersbach als Weißnäherin geführt (wie auch Grete Kalbacher von Türkenburg). [2-2] Zu dieser Zeit wohnte und arbeitete sie aber noch im elterlichen Haus in der Kaiserstraße Nr. 7 (zuvor als Kaiserstraße Nr. 46 geführt). [2-3]
Bereits die Schwester ihres Vaters Wilhelm Krüger, Christiana Krüger, war im Jahr 1858 in die USA ausgewandert. Der Kontakt zur amerkanischen Verwandtschaft war nie abgebrochen und so brachte die Nachkriegszeit Mathilde zum Enschluss, das Angebot ihrer Verwandten, mit ihnen in den USA zu leben, anzunehmen. [2-1]
Am 5. März 1926 schrieb sie an ihre US-amerikanische Verwandtschaft: "[...] Reni möchte wohl auch über den großen Teich [...]? Hier in Deutschland ist es ja auch zu trostlos, anstatt besser wird es immer schlimmer. Eine Fabrik nach der anderen wird still gelegt und dadurch Tausende und Abertausende von Arbeitern arbeitslos. Man weiß wirklich nicht, wo das hinaus soll, man kann auch gar nicht denken, wie eine Besserung kommen kann. Einzig gut haben es die Beamten, die jeden Monat ihr Gehalt bekommen, ob es gut oder schlecht in der Welt aussieht. Ich bin auch zu dem Entschluss gekommen, mir eine Stelle im Haushalt zu suchen. Vater bekommt jeden Monat soviel Pension, dass er hier im Altersheim gut versorgt wird, besser als ich mit dem Geld den ganzen Haushalt führen kann. Ich verdiene immer weniger und weniger, [außer] Wäsche zu nähen habe ich nicht mehr zu tun. Nun hatte ich junge Mädchen, die ihre eigene Wäsche bei mir arbeiteten und es dadurch erlernten, aber auch das wirft nicht genug zum Leben ab. Wenn Vater nicht so rüstig wäre und man könnte annehmen, er hätte nur noch kurze Zeit zu leben, würde ich die selbstverständlich noch aushalten, obgleich er einem das Leben oft sehr bitter macht, aber er ist so wohlauf, dass er noch Jahre leben kann. Wie mir jetzt nachts, wenn ich nicht schlafen kann, alles durch den Kopf geht, so kam mir der Gedanke, wie es wäre, wenn ich mal zu Euch ginge, bis hier wieder bessere Verdienstmöglichkeiten sind. Ihr habt mir öfters geschrieben, dass Ihr mich gerne dort hättet, ist es Euch noch immer ernst damit? [...] wenn ich an die Überfahrt denke, überkommt mich das Gruseln. Desto schöner aber ist der Gedanke, wenn ich drüben lande, und einen von Euch mit dem Tuch winken sehe, dann könnte ich heulen vor Freude. [...]" [2-2-1]
So emigrierte Mathilde Krüger, noch vor dem Tod ihres Vaters im Jahr 1928, in die USA. Sie bestieg am 20. Oktober 1926 in Bremen die S. S. President Roosevelt und erreichte Hoboken, New Jersey, am 28. oder 29. Oktober 1926. Erwartet wurde sie in den USA von ihrer Cousine Lillian Barthel geb. Bangerter, deren Tochter Gotthielde Schrader geborene Barthel und deren Schwiegersohn Albert Lee Schrader. Die Familie reiste mit Mathilde Krüger weiter zu ihrem Wohnort in der Yale Avenue in College Park, Maryland, einem Vorort von Washington, D. C.. [2a]
Zu Beginn sprach Mathilde Krüger nur wenig Englisch, wurde aber schnell deutlich fließender. [2b]
Mathilde Krüger wurde ein Familienmitglied der nahen Verwandtschaft in den USA und besuchte bereits einige Jahre nach ihrer Ankunft in den USA (vermutlich 1931) die Familie des Lee Schrader in Wisconsin. Da sie bereits in Gummersbach als Weißnäherin tätig waren, konnte sie zu Beginn ihres Aufenthalts in den USA sich zumindest durch die Anfertigung von Kleider für ihre Cousine Lilian Barthel und deren Tochter Gotthielde dankbar zeigen. Es wird berichtet, dass sie ihr Handwerk vollendet beherrschte. [2c]
Im Jahr 1932 verzog die Familie in ein größeres Haus, das die Familie Schrader in Chevy Chase, Maryland, einem Vorot von Washington, D. C., erbaut hatte. Da sich Mathildes Englischkenntnisse Anfang der 1930er Jahre verbessert hatten, konnte sie auch eine Anstellung als Näherin im Lansburgh's Department Store in Washington, D. C., finden und war dort als Änderungschneiderin für Frauenkleidung tätig.
Mathilde Krüger war musikalisch interessiert und besuchte mit ihrer Cousine Lillian Barthel Konzerte in Washington. Jeden Samstnachmittag hörte sie die Oper im Radio, die vom Metropolitan Opera House in New York übertragen wurde.
Bereits in Gummersbach war Mathilde Krüger Souffleuse bei dortigen Opernaufführungen gewesen. Auch spielte sie ziemlich gut Klavier. Allerdings spielte sie niemals in den USA, vermutlich da ihr Spiel im fortgeschrittenen Alter nicht mehr ihren eigenen Ansprüchen entsprach.
Im Januar 1936 reisten Lillian Barthel und Mathilde Krüger nach Miami, Florida, und machten circa einen Monat eine vergnügliche Rundreise durch den Bundesstaat.
Im Jahr 1940 kündigte Mathilde ihre Anstellung bei Landsburgh's Department Store und nahme eine neue Anstellung als Änderungsschneiderin bei einem kleinen gehobenen Frauenbekleidungsgeschäft an, das näher bei ihrem Haus lag.
Mit der Enkelin ihrer Cousine Lillian Barthel spielte sie Brettspiele wie Parcheesi und ging mit ihr, deutsche Volkslieder singend, oft zu nahen Einkaufstraßen.
Im April 1941 verstarb Gotthielde Schrader, was ein schwerer Schicksalsschlag für die Familie war. Die Familie Schrader reiste zusammen mit Mathilde Krüger zur Verarbeitung des schweren Verlust ab Juni 1941 durch die USA in einem neuen Dodge Sedan über 14.000 Meilen in drei Monaten. Zunächst ging die Reise nach Florida, dann westwärts durch die Südstaaten nach Kalifornien, nördlich zum Bundesstaat Washington und schließlich ostwärts über Chicago nach Chevy Chase. Die Familie besuchte auf dieser Reise zahlreiche Nationalparks und Sehenswürdigkeiten.
Im Jahr 1942 übernahm Mathilde Krüger die Führung des Haushalts der Familie Schrader. Im Sommer 1943 verzog Mathilde Krüger und ihre Cousine Lillian Barthel in ein kleines Haus nahe dem Wohnhaus der Familie Schrader. Mathilde Krüger nahm eine neue Anstellung an als Änderungsschneiderin in einer Filiale des New Yorker Kaufhauses Best & Co. an. Das Kaufhaus hatte sich auf Kinder- und Frauenkleidung spezialisiert. Die Filiale lag noch näher an Mathilde Krügers Wohnhaus als ihr vorheriger Arbeitsplatz. An den Wochenende spielten Mathilde Krüger und Lillian Barthel immer Halma (Chinese Checkers). Sehr oft besuchten die Cousinen die in der Nähe wohnende Familie Schrader.
Im Jahr 1946 kaufte Lillian Barthel ein Haus in Friendship Heights, Chevy Chase, Maryland. Lee Schrader und seine Tochter Eda zogen ebenfalls um, sodass die Familie nun zwei Meilen voneinander entfernt wohnte. Das Haus der Cousinen hatte eine sehr schöne Veranda an der Frontseite des Hauses, die vor allem im Sommer genutzt wurde. Fast jeden Sonntag traf sich die Familie zum Abendessen. Mathilde Krüger pflegte einen wunderschönen Blumengarten und liebte es, alle möglichen Arten von Pflanzen zu hegen. Nach dem Krieg versandte Mathilde eine Vielzahl von Paketen mit Essen und Kleidung zu ihren Cousinen nach Deutschland. Sie versandte auch CARE-Pakete an ihre Cousinen.
In den späten 1940er Jahren verließ Mathilde Krüger Best & Co. und arbeitete für einen Freund, der eine Änderungschneiderin besaß. Die Schneiderei war nur eine Meile entfernt von ihrem Haus, was ihr es ermöglichte, zu Fuß zur Arbeit zu gehen. Nachdem Lee Schradder 1949 aus gesundheitlichen Gründen nach Arizona zog, lebte Eda Schrader, Enkelin der Lillian Barthel, bei ihrer Großmutter und Mathilde Krüger für die nächsten vier Jahre. Im Jahr 1953 besuchte Mathilde Krüger Deutschland. Auf dieser Reise entstand das unten abgebildete Foto.
Mathilde Krüger lebte mit Lillian Barthel zusammen bis diese im Jahr 1955 verstarb. Sie arbeitete auch danach noch weiter in der Änderungsschneiderin ihres Freundes. Sie bekam wöchentlich Besuch von Eda Offutt geb. Schrader. Auch bekam sie Besuch von Freunden. Sie häkelte Bordüren und brachte diese an den Rändern von Kissen an. Mit ihren Nachbarn war sie gut befreundet und diese schauten bei ihr nach dem Rechten. Sie wurde oftmals zum Essen von der Verwandtschaft eingeladen. Dennoch schien ihr das Leben allein zu gefallen. Zuhause las sie abends zumeist.
Weihnachten war immer sehr wichtig für Mathilde Kürger. Obwohl sie keinen Weihnachtsbaum aufstellte, dekorierte sie immer das Haus mit viel Grün. Sie fertige auch Kränze für die Haustür der Familie Offutt und für die Tür der St. Columba's Episcopal Church. Besonders wichtig war für sie das Plätzchenbacken. Sie verbrachte den Weihnachtsabend stets mit der Familie Offutt.
In den 1960er Jahren als Mathilde Krüger älter wurde, umsorgte und unterstützte sie die Familie Offutt stärker im Alltag. Auch im hohen Alter hatte sie noch einige Kunden, die zu ihrer nach Hause kamen, um Kleidungsänderungen in Auftrag zu geben. Weiterhin war sie aktiv im Garten. In all den Jahren führte sie einen verlässlichen Briefwechsel mit ihren Cousinen in Deutschland, insbesondere mit Frieda Sondermann und Irene Sondermann sowie mit ihrer Nichte Lieselotte Krüger.
Im Jahr 1969 feierte Mathilde ihren 90. Geburtstag mit einem Abendessen mit Familie und Freunden im Haus der Familie Offutt. Unglücklicherweise stürtze sie einige Montage später und brach sich die Hüfte. Nach über einem Monat im Krankenhaus und anschließender Rahabilitation in einem Pflegeheim, kehrte sie aus eingem Wunsch in ihr Haus zurück. Sie konnte noch mit einer Gehilfe laufen, aber bevorzugte einen Rollstuhl. Mit Hilfe von Freunden, ihrer Familie und Unterstützung im Haushalt meisterte sie ihren Alltag noch ziemlich gut.
Ab dem Jahr 1974 konnte Mathilde nicht mehr für sich alleine sorgen nach einer Serie von kleinen Schlaganfällen. Die zwei folgenden Jahre in einem Pflegeheim waren keine guten Jahre für sie. Sie wurde gut versorgt und ihre Familie besuchte sie jeden zweiten Tag.
Mathilde Krüger verstarb am 16. Februar 1976 in Rockville (Maryland, USA). [3] Sie wurde auf dem Rock Creek Cemetery in Washington, D. C., im Familiengrab Bangerter beigesetzt, wo auch ihre Tante Christiana Krüger, ihr Onkel Frederick Bangerter, zwei Cousins, ihre Cousine Lillian Bangerter verh. Barthel sowie die Tochter von Lilian Bangerter, Gotthielde Barthel verh. Schrader, ihre letzte Ruhe fanden. [4]