Nach dem Besuch der Volksschule (in Dieringhausen) war es für Walter Bauer wegen der schlechten Verkehrsanbindung kaum umsetzbar, die höhere Schule in Gummersbach zu besuchen. "Die Eisenbahn zwischen Gummersbach und Dieringhausen wurde erst 1893 eröffnet, und einen einstündigen Fussmarsch zur Schule durch das damals stille und abgelegene Rospe-Tal mochten die Eltern ihrem Jungen nicht zumuten. Walter kam darum in ein Internat in St. Goarshausen am Rhein, und in diesem schön gelegenen Städtchen verbrachte er seine Schulzeit bis zum Examen der Mittleren Reife." [4] Vermutlich besuchte er in St. Goardshausen das Institut Hoffmann. (In St. Gaorshausen lehrte zu dieser Zeit Fritz Koch, der Ehemann der Emilie Sondermann, einer Cousine des Walter Bauer.)
Die Mittlere Reife brachte für Walter Bauer den Status eines "Einjährig-Freiwilligen". Ein Einjährig-Freiwilliger war ein Wehrpflichtiger mit höherem Schulabschluss (Obersekundarreife), der nach freiwilliger Meldung einen Wehrdienst in einem Truppenteil seiner Wahl als Präsenzdienst ableistete. Nach Abschluss der Grundausbildung konnte er Offizier der Reserve werden. Willi Heine, ein Freund des
Cuno Bauer, Bruder des Walter Bauer, berichtet: Walter Bauer "[...] war sogar ein ziemlich guter Soldat und brachte es, wenn auch nicht zum Offizier, so doch zum Offiziers-Stellvertreter. Wahrscheinlich wäre er auch Reserveleutnant geworden, wenn er sich der dazu nowendigen Zahl von Übungen unterzogen hätte. Die Zeit hierfür mochte er nicht aufwenden weil er der Ansicht war, dass für ihn als Kaufmann Kenntnisse und Erfahrungen ganz anderer Art notwendig und wichtig seien [...]." [5]
Nach seinem Heeresdienst kam Walter Bauer in der Welt herum, um praktische Erfahrungen als Kaufmann zu sammeln. "Er war als Angestellter in Berlin und Hamburg, in Brüssel und Antwerpen, in Warschau und in Buenos Aires [...]. Er wurde dadurch zum weltgewandten und weltoffenen Mann, und wenn diese Eigenschaft später in dem immerhin begrenzten Rahmen des väterlichen Geschäftes nicht voll zur Geltung kommen konnten, so war doch der Gewinn im menschlichen Bereich umso gewisser. Er kam denen zugute, die mit ihm zusammen zu leben hatten, in erster Linie seiner Frau." [6]
Walter Bauer heiratete in Dieringhausen am 3. August 1914 Anna (Ännchen) Heuser [7] nachdem sich das Paar zu Weihnachten 1913 verlobt hatte. [8]
Ännchen Heuser wurde am 18. Juli 1887 in Gummersbach als Tochter des Gustav
Adolph
Heuser und der Alwine Müller geboren. [9] Sie wurde am 22. September 1887 in Gummersbach getauft. [10]
Das Ehepaar hatte keine Kinder. [11]
Über die Ehe berichtet Willi Heine: Es "[...] war Oskar [Heuser], der sich zuerst mit den beiden Brüdern Bauer angefreundet hatte und sie bei seinen sonntäglichen Wanderungen zuzog. Hierbei konnte der Ältere, Walter Bauer, Aennchen immer besser kennen und schätzen lernen. Wir haben hier einen der Fälle, auf die man mit Recht das Sprichwort anwenden kann, wonach gut' Ding Weile haben will. Beide Teile standen ja nicht mehr in der allerersten Jugend (Walter Bauer war noch um zehn Jahre älter als seine künftige Frau.) Erst nach längerer, guter Bekanntschaft und reiflicher Prüfung aller Umstände kam es [...] zur Verlobung und Hochzeit. Es wurde eine sehr gute, man kann sagen: eine vorbildliche Ehe." [12]
Das Ehepaar war überaus gastfreundlich und herzensgütig. [13]
Ännchen Heuser wurde noch in Gummersbach eingeschult. Da sie aber bald mir ihrer Schwester Wally Heuser in den Siebelschen Haushalt in Dieringhausen kam (aufgrund familiärer Ereignisse), besuchte sie dann die Schule in Dieringhausen ("Diese verfügte damals noch nicht über ein eigenes Gebäude; der Unterricht fand vielmehr in einem gemieteten Zimmer des schieferbedeckten, noch heute in der sogenannten Alten Strasse stehenden Privathauses der Familie Engbruch statt."). Später kam sie auf die höhere Töchterschule in Gummersbach. [14]
Ännchen Heuser erlitt im ersten Schuljahr eine fortgeschrittene Bauchfellentzündung, die ihr beinahe das Leben kostete. Folge der Entzündung waren Organschäden, die es ihr unmöglich machten, Kinder zu bekommen. [15]
Bald bach ihrer Genesung zog sie mit ihrem Vater und ihren Geschwistern in das Haus Ohl. [16]
Sie übte "[...] viele Arten von Sport mit Geschick und Erfolg und in viel grösserem Umfange aus [...], als es bei ihrer Frauengeneration sonst üblich war: Tennis spielen, Schwimmen, Eislaufen und Schlittenfahren, vor allen Dingen aber Wandern - und das Alles mit einer Ausdauer, um die sie manche Männer der jüngeren Generation beneiden könnten, die sich nur noch durch Motorantrieb fortbewegen und infolgedessen an defekten Bandscheiben laborieren." [17]
Nach dem Besuch der höheren Töchterschule arbeitete Ännchen Heuser acht Jahre als kaufmännische Angestellte im Speditionsgeschäft ihres Vater Adolph Heuser. Und so arbeite sie im "[...] Bretterbuden-Büro am alten Bahnhof Dieringhausen, umgeben von Pfeifenqualm, philosophischen Aussprüchen und humoristischen Einfällen. Obwohl nun Ohm Adolph schon fast vierzig Jahre tot ist, merkt man ihr, wie ich meine, noch heute an, dass sie unter allen seinen Kindern durch das tägliche Zusammensein am meisten von seiner abgeklärten Lebensweisheit mitbekommen hat. Wie jede praktikable Weisheit bestand auch diese nicht aus starren, in Worte zu fassenden Regeln sondern in einer reifen, vorurteilsfreien und gelassenen Einstellung, die sich nicht lehren sondern nur vorleben lässt." [18]
Im Jahr 1907 unterbrach sie ihre Tätigkeit beim Vater für ein Jahr und ging nach Cherbourg, um dort als Nachfolgerin ihrer Schwester Dora eine Stellung im Haushalt des Fabrikanten Albert Simon anzunehmen. Ihre Aufgabe bestand insbesondere in der Unterrichtung der Kinder des Fabrikanten in deutscher Sprache. Ännchen Heuser schloss Freundschaft mit den nur wenig jüngeren Kindern der Familie. Die Freundschaft überdauerte den Aufenthalt von Ännchen Heuser in Cherbourg, wurde aber durch den I. Weltkrieg beendet. Die mit dem Aufenthalt verbundene Kenntnis der französischen Sprache und der französischen Kultur blieben ihr allerdings zeitlebens erhalten. [19]
Der Schwiegervater des Walter Bauer, Adolph Heuser (1837-1927), war ein Urenkel des Johann Peter Heuser (1726-1809) und der Anna Margarete Vollmann (1728-1796). [20]
Adolph Heuser führte das von seinem Vater geerbte „Ellenwarengeschäft“ weiter und war im Jahr 1861 Mitbegründer des Gummersbacher Turnvereins (siehe dazu auch die Erläuterungen zum Leben des August Sondermann) und im Jahr 1870 der ersten Gummersbacher Bank (Gummersbacher Volksbank).
Er übernahm zusammen mit seinem Schwager Eduard Müller (geb. 1838) die (Kunstwoll-) Spinnerei seines Schwagers Wilhelm Müller (1830-1894) in Friedrichstal (siehe zu Wilhelm Müller auch die Ergänzung zu Friedrich und Henriette Sondermann). Wilhelm Müller, auch "de rike Müller" genannt, fuhr an Sonntagen mit sechs Schimmeln zur Kirche, obwohl diese keine fünf Minuten von seiner Wohnung entfernt war.
Wilhelm Müller hatte die Knopffabrik seines Vaters Christian Müller in eine Spinnerei umgewandelt und den Rundstuhl im Jahr 1855 im Oberbergischen eingeführt. Ende der 1860er Jahrem musste er aber Konkurs anmelden.
Adolph Heuser und sein Schwager Eduard Müller waren laut einem Zeitgenossen „[...] zwar äußerst gewandt und liebenswürdig [...] aber wenig stabil und zu sehr hohe Herren [...] auch fehlte die energische Arbeitslust.“
So konnte nicht verhindern werden, dass das Fabrikgeschäft immer weiter zurückging und 1876 erneut Konkurs angemeldet werden musste. Das Unternehmen wurde sodann von Christian Alexander Baldus übernommen (Siehe dazu die Erläuterungen zum Leben des Walter Sondermann).
Im Jahr 1889 wird Adolph Heuser als Besitzer der Streichgarnspinnerei und Wollfärberei am Singerbrink mit 38 beschäftigten Arbeitern genannt. Im Jahr 1890 übernimmt die Fabrik indes ein F. W. Wippenbeck.
Nachdem Adolph Heuser Bürgschaften geleistet hatte, die er nicht bezahlen konnte, ging er nach Australien. Von dort kehrte er indes wieder zurück und siedelte nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1894 zu seiner Tochter nach Dieringhausen über, gründete dort ein Speditionsgeschäft, das er bis zu seinem 80. Lebensjahr selbst leitete.
Er bekleidete, solange er in Gummersbach wohnte, ehrenamtlich verschiedene Ämter der Stadt- und Kreisverwaltung, auch in der evangelischen Kreisverwaltung, und war lange Zeit erster Beigeordneter der Stadt Gummersbach und vor 1879 auch Ergänzungsrichter, der den Friedensrichter zu vertreten hatte. [21]
Ehefrau des Adolph Heuser war Alwine Müller. Alwine Heuser geb. Müller verkaufte ein von ihrem Bruder Wilhelm Müller errichtetes Gebäude, das später als Rathaus (Altes Rathaus) der Stadt Gummersbach genutzt wurde, im Jahr 1861 für 5447 Thaler und 15 Groschen an die Stadt Gummersbach. [22]
Walter Bauer heiratete Ännchen Heuser in den ersten Tagen des I. Weltkriegs. Dazu und zum weiteren Kriegseinsatz des Walter Bauer berichtet Willi Heine: "Die Hochzeit von Walter und Aennchen Bauer fand in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 statt und war die erste Kriegstrauung in der Kirche von Dieringhausen; denn als gedienter Mann hatte Walter sofort
nach der Mobilmachung seinen Gestellungsbefehl erhalten. Das war nun nicht gerade eine Katastrophe. Er war bereits 37 Jahre alt und wurde nach Koblenz einberufen, wo er als Offiziers-Stellvertreter mehrere Jahre lang Rekruten ausbildete. Seine jungvermählte Frau konnte ihn dorthin begleiten, und so verbrachte das junge Paar seine Flitterwochen in einer zwar etwas ungewöhnlichen aber immerhin ganz erträglichen Form.
Als Walter in der zweiten Hälfte des Krieges nach Belgien kommandiert wurde, um in dem Städtchen Turnhout bei Antwerpen ein Büro der deutschen Militärregierung zu leiten, da kam es ihm zugute, dass Land, Volk und Sprache gerade in Belgien ihm von Jugend auf vertraut waren. Er fand auch bald Mittel und Wege, seiner jungen Frau als einer gelernten Büroangestellten mit guten französischen Sprachkenntnissen eine Anstellung in einer dortigen deutschen Dienststelle zu verschaffen. Das
Ehepaar war – kurios genug! - in einem Nonnenkloster einquartiert; die chères soeurs waren gar nicht böse, in Gestalt des einzigen männlichen Insassen, des Offiziers-Stellvertreters Walter Bauer, einen uniformierten Beschützer im Hause zu haben, der – an sich schon respektabel – durch die Anwesenheit einer Ehefrau noch vertrauenswürdiger wurde." [23]
Walter Bauer war Geschäftsführer und Anteilseigner der im Jahr 1908 gegründeten Armaturenfabrik Dieringhausen Friedrich Bauer & Söhne, auf deren Geschichte in den Erläuterungen zum Leben des Cuno Bauer eingegangen wird.
Am 16. Mai 1925 wurde die Gemeinnützige Baugesellschaft des Agger- und Wiehltales GmbH, Dieringhausen, durch Beschluss der Generalversammlung aufgelöst. Als Liquidatoren wurden Walter Bauer, August Puhl (Vollmerhausen) und Ernst Wallefeld (Dieringhausen) bestellt. Der Vater des Walter Bauer, Friedrich Bauer, war Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft und verstarb nur wenige Wochen nach dem Auflösungsbeschluss. [24]
Ein enges Verhältnis hatte das Ehepaar Walter Bauer zu Fräulein Emma (Emmy) Pieser, die ab Mai 1925 im Haushalt des Ehepaares und vermutlich bis zu ihrem Tod im Jahr 1939 angestellt war. [25]
Nach der Heirat zog das Ehepaar in eine Wohnung, die in einem dem Unternehmen Bauer gehörenden Haus lag (Kölner Straße 15). [26] Dazu schreibt Willi Heine: "Ohm Adolph hatte seine Tochter als Angestellte zwar nicht üppig, aber doch so besolden können, dass sie sich von ihrem Gehalt eine schöne Wohnungseinrichtung und Aussteuer zusammensparen und noch vor Kriegsausbruch zu den damals üblichen günstigen Preisen und Bedingungen anschaffen konnte. Diese Dinge stehen heute noch in der Wohnung, die in einem der Firma Bauer gehörenden Hause für das junge Paar geschaffen worden war. Das Haus lag nicht weit von Walters Elternhaus, wurde aber, anders als dieses, im zweiten Weltkriege nicht so beschädigt, dass es nicht in der alten Gestalt hätte wiederhergestellt werden können. Aennchen als Witwe lebt noch heute darin, und sie gehört damit zu den nicht ganz häufig anzutreffenden Frauen, die seit ihrer Hochzeit vor 52 Jahren noch niemals umgezogen sind.
Wenn ich bedenke, wo überall das Schicksal uns andere seit jener Zeit herumgeschleudert hat, dann kommt mir solche Standfestigkeit fast märchenhaft vor. [...] Während des ganzen ersten Weltkrieges standen die für Aennchen und Walter bestimmten Räume fix und fertig eingerichtet, aber unbewohnt in Erwartung ihrer rechtmässigen Inhaber. Als daher die beiden,
nach den turbulenten Erlebnissen der Niederlage und der Auflösung der deutschen Besatzungsarmee in Belgien, wieder zurückkehrten, fanden sie – darin glücklicher als andere – ein fertiges, geräumiges und behagliches Heim vor. Man kann nicht sagen, dass Walter wegen des Zusammenbruchs der Monarchie tiefgebeugt gewesen wäre, wie es andere – etwa sein Schwager, der Oberlandesgerichtsrat Adolf Heuser – zu sein angaben." [27] Das Wohnhaus wurde aber bei einem Fliegerangriff zum Ende des II. Weltkriegs (13. März 1945; derselbe Angriff, bei dem das Elternhaus des Walter Bauer zerstört wurde) schwer beschädigt, sodass es monatelang unbewohnbar war. Daher musste das Ehepaar daher provisorisch in Nebenräumen des Fabrikgebäudes "hausen". [28]
Im Wohnhaus lebten auch zwei Schwestern der Ännchen Bauer geb. Heuser (Clara Heuser, * 1867 und Emma (Emmy) Sophie Heuser, * 1868). [29]
Walter Bauer verstarb am 26. September 1948 im Alter von 70 Jahren in Dieringhausen. [30] Seine Frau überlebte ihn um Jahrzehnte und verstarb in einem Pflegeheim in Nümbrecht am 11. Oktober 1976. [31]
Willi Heine berichtet, dass Walter Bauer während des II. Weltkrieges nicht nur die alleinige Last der Geschäftsführung des Unternehmens Bauer zufiel (zumindest im Außenverhältnis), da sein Bruder Cuno der Verfolgung der Nationalsozialisten ausgesetzt war. Zudem musste er sich "[...] einer Fülle von Anfeindungen und Verdächtungen [...]" zur Wehr setzen. Hinzu kam in den letzten Kriegstagen die Zerstörung des Elternhauses und die schwere Beschädigung seiner eigenen Wohnung. "Die Überbeanspruchung der Nerven führte bei Walter zu einer seltenen Krankheit – einer sogenannten Schüttellähmung – die ihm viele Beschwerden machte und das meiste dazu beitrug, dass er im Herbst 1948 im einundsiebzigsten Lebensjahr verschied." [32]